«Ich schlief, doch mein Herz war wach» (Hld 5,2)
Manchmal brüsten wir uns: Ich war fähig das zu tun, ich habe das und jenes vollbracht, und man kann darin ein Selbstlob heraus lesen, oftmals Stolz. Und so frage ich mich: Wie wird unser Leben aussehen, wenn es dem Ende zugeht? Ich glaube, wir werden eine unbeschwerte und leuchtende Erinnerung von allem haben, was Gott in unserem Dasein und im Dasein der anderen getan hat, was für uns sicher Grund der Freude und des Friedens sein wird.
Vielleicht werden wir eine entfernte und unbeteiligte Erinnerung haben, über dem, was wir für uns getan haben; wahrscheinlich werden wir Gründe des Bedauerns haben, dass wir nicht mehr die Voraussetzung und die Möglichkeit haben, das zu tun, was wir in Vergangenheit getan haben. Sicherlich schaut Gott nicht so sehr auf unser Tun, Er, der in einem Augenblick das Universum erschaffen kann, sieht mehr auf unser Herz: dort befindet sich Seine Wonne.
Auch Jesus sucht unser Herz, um mit dem Vater darin zu wohnen, wie Er sich sagte: <Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen> (vgl. Joh 14,23). Welch großen Trost und welche Zärtlichkeit bringen uns diese Worte des Herrn entgegen, die klar Seine Liebe zum Menschen, die Suche nach Freundschaft, ja Sein Herz umschreiben!
Oft genug hat Jesus uns zu verstehen gegeben, dass er nicht das Tun des Menschen sucht. Auch in der Parabel der Arbeiter hat Er gesagt: jene der letzten Stunde erhalten denselben Lohn, wie jene der ersten, Er sagte auch der beflissenen Marta, dass Maria den besseren Teil gewählt hat.
Die Madonna hat mehrere Male bewiesen, dass das Tun nicht so sehr zählt, wohl aber das Herz. Während der Verkündigung hat der Engel von Maria nicht verlangt, sie möge viele Dinge verrichten, sondern dem Herrn das Herz öffnen: nachdem sie zugestimmt hat, ist sie zur Mutter Gottes geworden, jene, die den Sohn geboren hat.
Auf der Hochzeit von Kana, macht Maria nicht viel, sondern öffnet nur ihr eigenes Herz dem Sohn als Mutter; deshalb, als sie zu den Dienern sagt: <Was er euch sagt, das tut!> (vgl. Joh, 2,5), wirkt Jesus das Wunder, und verwandelt Wasser zu Wein. Und welch köstlichen Wein; und welche Menge!
Jesus sucht stets das Herz. Im Olivenhain offenbart Jesus ganz stark die Suche nach dem Herzen der Apostel, als Er sagt: <Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?> (vgl. Mt 26,40), und auf dem Kreuz, als Er ausruft „mich dürstet“ will Er nicht etwa den Durst nach dem Menschen, nach seiner Freundschaft äußern? Wenn es so ist, wie es scheint, müssten wir immer all unser Tun auf ein Mindestmaß herabsetzen, es als unwichtig betrachten und ausrufen: <Wir sind unnütze Sklaven, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan> (vgl. Lk 17,10).
Maria weiß, dass unser Leben unfruchtbar ist, wenn nicht Jesus in uns wohnt, sie weiß, dass all unser Tun unnütz ist, wenn Er nicht ist. Vielleicht spricht sie deshalb in Medjugorje ins Herz, lehrt das Gebet des Herzens, will die Herzen formen. Sie möchte unsere Herzen bereit machen, den Herrn aufzunehmen, denn sie weiß, dass Jesus der Demütige ist, der weder Gewalt, um in die verschlossenen Herzen einzutreten, noch Zwang anwendet, um in die Seele des Menschen einzutreten.
Maria weiß auch, dass wir uns schwer tun, unsere Herzen Jesus zu öffnen, und deshalb kommt sie uns zu Hilfe. Sie weiß auch, dass Jesus alle Herzen sucht, unabhängig von den starken oder den schwachen, denn so handelt die Liebe. Sie weiß auch, dass Jesus eine Vorliebe für jene hat, die sie formt, für die Herzen, die sie vorbereitet und schmückt, denn sie kennt den Geschmack des Sohnes: Er liebt es, im Menschen die Schönheit der Mutter zu sehen und in ihm ihren Duft zu riechen.
Nehmen wir daher die Einladung Mariens an, die Herzen zu öffnen, und mit ihrer mächtigen Hilfe lassen wir Jesus in uns wohnen. Wenn wir so handeln, wird unser Handeln Früchte bringen, weil es vom Vater gesegnet sein wird, der in unserem Tun die Art des Handelns Seines Sohnes feststellen wird, Er wird unsere Taten den Taten Jesu ähnlich sehen, Er wird ein wenig die Züge des Sohnes darin sehen, worüber Er sich nur freuen kann.
So werden uns Flügel als Hilfe für den Nächsten verliehen und um den Himmel anzubeten; wir werden einen scharfen Blick erhalten, um die Nöte des Nächsten zu erkennen, und um ihm zu helfen, um ganz genau zu unterscheiden, was gut und was böse ist.. Somit wird unser Handeln Früchte bringen, vielleicht hundertfach, und wir werden wunderbare Dinge vollbringen, denn es wird nicht mehr unser Tun sein, sondern jenes von Jesus in uns. Wir werden also die Worte des Psalms verstehen: <Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut> (Ps 127,1).
Dann werden wir vielleicht mit der Braut im Hohelied sagen können: <Ich schlafe, aber mein Herz wacht>, denn der Bräutigam, Jesus, schläft niemals, sondern wacht immer und wirkt in uns andauernd, auch im Schlaf.