Er schließt die Enzyklika mit ihr, mit Maria „Mutter des Herrn, Spiegel aller Heiligkeit“. Ihr widmet er die letzten Zeilen seines Briefes über die Liebe, Maria, deren Leben ganz in Liebe verwirkt war und die Mutter der Liebe selbst wurde. Lassen wir jedoch, dass die Worte des Heiligen Vaters selbst sprechen, voll Gnade und zarter Liebe zur kleinen Frau von Nazaret.
„Im Lukasevangelium sehen wir sie in einem Liebensdienst an ihrer Kusine Elisabet... «Meine Seele preist die Größe des Herrn» (vgl. LK 1,46) - und drückt damit das ganze Programm ihres Lebens aus: nicht sich in den Mittelpunkt stellen, sondern Raum schaffen für Gott, dem sie sowohl im Gebet als auch im Dienst am Nächsten begegnet – nur dann wird die Welt gut.
Maria ist groß eben deshalb, weil sie nicht sich, sondern Gott groß machen will. Sie ist demütig: Sie will nichts anderes sein als Dienerin des Herrn (vgl. Lk 1,38, 48). Sie weiß, dass sie nur dadurch zum Heil der Welt beiträgt, dass sie nicht ihr eigenes Werk vollbrin-gen will, sondern sich dem Wirken Gottes ganz zur Verfügung stellt.
Sie ist eine Hoffende: Nur weil sie den Verheißungen Gottes glaubt und auf das Heil Israels wartet, kann der Engel zu ihr kommen und sie für den entscheidenden Dienst an diesen Verheißungen berufen.
Sie ist eine Glaubende: „Selig bist du, weil du geglaubt hast“, sagt Elisabet zu ihr (vgl. Lk 1,45). Das Magnifikat – gleichsam ein Porträt ihrer Seele – ist ganz gewoben aus Fäden der Heiligen Schrift, aus Fäden von Gottes Wort. So wird sichtbar, dass sie im Wort Gottes wirklich zu Hause ist, darin aus- und ein geht. Sie redet und denkt mit dem Wort Gottes; das Wort Gottes wird zu ihrem Wort, und ihr Wort kommt vom Wort Gottes her. So ist auch sichtbar, dass ihre Gedanken Mitdenken mir Gottes Gedanken sind, dass ihr Wollen Mitwollen mit dem Willen Gottes ist. Weil sie zuinnerst von Gottes Wort durchdrungen war, konnte sie Mutter des fleischgewordenen Wortes werden.
Endlich: Maria ist eine Liebende. Wie könnte es anders sein? Als Glaubende und im Glauben mit Gottes Gedanken denkend, mit Gottes Willen wollend kann sie nur eine Liebende sein. Wir ahnen es an den leisen Gebärden, von denen uns die Kindheitsgeschichte aus dem Evangelium erzählt. Wir sehen es in der Diskretion, mit der sie in Kana die Not der Brautleute wahrnimmt und zu Jesus trägt. Wir sehen es in der Demut, mit der sie die Zurückstellung in der
Zeit des öffentlichen Lebens annimmt – wissend, dass der Sohn nun eine neue Familie gründen muss und dass die Stunde der Mutter erst wieder sein wird im Augenblick des Kreuzes, der ja die wahre Stunde Jesu ist (vgl. Joh 2,4; 13,1). Dann, wenn die Jünger geflohen sind, wird sie sein, die unter dem Kreuz steht (vgl. Joh 19,25-27); und später, in der Stunde von Pfingsten, werden die Jünger sich um sie scharen in der Erwartung des Heiligen Geistes (vgl. Apg 1,14). Maria ist in der Tat zur Mutter aller Glaubenden geworden. Zu ihrer mütterlichen Güte, wie zu ihrer jungfräulichen Reinheit und Schönheit kommen die Menschen aller Zeiten und aller Erdteile in ihren Nöten und ihren
Hoffnungen, in ihren Freuden und Leiden, in ihren Einsamkeiten, wie in der Gemeinschaft. Und immer erfahren sie das Geschenk ihrer Güte, erfahren sie die uner schöpfliche Liebe, die sie aus dem Grund ihres Herzens aus teilt. Die Zeugnisse der Dankbarkeit, die ihr in allen Kontinenten und Kulturen erbracht werden, sind die Anerkennung jener reinen Liebe, die nicht sich selber sucht, sondern einfach nur das Gute will. Die Verehrung der Gläubigen zeigt zugleich das untrügliche Gespür dafür, wie solche Liebe möglich wird: durch die innerste Einung mit Gott, durch das Durchdrungensein von ihm, das denjenigen, der aus dem Brunnen von Gottes Liebe getrunken hat, selbst zum Quell werden lässt, „von dem Ströme lebendigen Wassers ausgehen“ (vgl. Joh 7,38).
Maria, die Jungfrau, die Mutter, zeigt uns, was Liebe ist und von wo sie ihren Ursprung, ihre immer erneuerte Kraft nimmt. Ihr vertrauen wir die Kirche, ihre Sendung im Dienst der Liebe an:
Heilige Maria, Mutter Gottes
, du hast der Welt
das wahre Licht geschenkt,
Jesus, deinen Sohn – Gottes Sohn.
Du hast dich ganz
Dem Ruf Gottes überantwortet
Und bist so zum Quell der Güte geworden,
die aus ihm strömt.
Zeige uns Jesus. Führe uns zu ihm.
Lehre uns ihn kennen und ihn lieben,
damit auch wir selbst
wahrhaft Liebende
und Quelle lebendigen
Wassers werden können
Inmitten einer dürstenden Welt.